Was bedeutet Euthanasie?
Das Wort Euthanasie kommt aus dem Griechischen und bedeutet eigentlich „leichter Tod“ oder „schöner Tod“; in der Medizin bezeichnet man damit auch Maßnahmen der Sterbehilfe für unheilbar Kranke.
Die Nationalsozialisten übernahmen diesen Begriff für ihr Mordprogramm an körperlich oder geistig behinderten oder psychisch kranken Menschen. In ihren Augen galten sie als „nicht lebenswert“ und waren nur unnötiger Kostenfaktor für die Volksgemeinschaft. Zwischen 1939 und 1945 wurden mehr als 275.000 dieser Menschen in Gaskammern, durch falsche Medikation oder durch systematisches Verhungernlassen getötet.
Euthanasie ist keine Erfindung der Nazis. Unter Berufung auf Darwins Theorie der Selektion wurde Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Fachkreisen die Tötung unheilbar Kranker ernsthaft diskutiert; allerdings sollte diese Tötung in der Regel „freiwillig“, als „Erlösung“ von einem unwürdigen Leben erfolgen.
Die Tötung von Behinderten trauten sich die Nazis anfangs noch nicht. Erst nachdem sie den 2. Weltkrieg begannen ‒ und die Menschen andere Probleme hatten – starteten die Nazis ihr gut vorbereitetes Mordprogramm. Noch zu Friedenszeiten 1938/39 bekamen die Anstalten Meldebögen, in denen alle behinderten Patienten erfasst werden mussten. Eine zentrale Stelle in Berlin, untergebracht im Haus Tiergarten 4 (daher der Deckname: Aktion T4) entschied nach Aktenlage, also ohne die Personen je gesehen zu haben, über ihren Tod oder ihr Weiterleben.
Die zum Töten Bestimmten wurden über Zwischenstationen in sechs Tötungsanstalten verlegt und dort am Tag ihrer Ankunft in neu eingerichteten Gaskammern ermordet. Die für unser Gebiet zuständige Anstalt war die „Heilanstalt Hadamar“, in der zwischen Oktober 1939 und August 1941 über 10.000 Menschen auf diese Weise umgebracht wurden. Die Leichen wurden im hauseigenen Krematorium verbrannt. Den Angehörigen wurden Sterbeurkunden mit erfundenen Todesursachen (oftmals „Lungenentzündung“) und falschem Todeszeitpunkt (zur Verschleierung, aber auch zwecks Versicherungsbetrug: die bereits Ermordeten wurden mit der Versicherung weiterhin als Pflegefälle abgerechnet) und auf Wunsch die angebliche Asche der Verstorbenen zugesandt. Im ganzen Reich „starben“ so über 70.000 Menschen.
Nach Protesten wurden die Vergasungen Mitte 1941 eingestellt. Der Hauptgrund dafür dürfte aber gewesen sein, dass man die „Fachleute für die Massentötung von Menschen“ im Osten brauchte, um die „Endlösung der Judenfrage“ vorzubereiten und durchzuführen.
Das Morden in den Heilanstalten ging trotzdem weiter. Statt mit Gas wurden die Patienten mit falsch dosierten Medikamenten bzw. durch Medikamentenverweigerung oder – am billigsten – durch Verhungern getötet. In dieser 2. Phase der Euthanasie (1942-1945) waren es allein in Hadamar 4.400 der 4.800 Patienten.
Gedenktafel an der Friedhofsmauer
Enthüllung am 28. April 2014
Hier in Langen konnten die Namen von zehn Menschen ermittelt werden, die Opfer der Euthanasie wurden. Die Recherche gestaltete sich äußert schwierig, denn es gab fast keine Informationen. In den meisten Familien wurde nicht über das Thema gesprochen, weil es als peinlich empfunden wurde.
Für drei dieser Euthanasie-Opfer wurden Stolpersteine verlegt: Ludwig Dornburg, Susanne Schmidt und Johanna Schiff.
Bevor die Stolperstein-Initiative ihre Arbeit begann, war hier nur ein einziger Fall von Euthanasie bekannt, der von Ludwig Dornburg. Er hatte epileptische Anfälle. Am 08.03.2007 setzen wir ihm einen Stolperstein vor seiner letzten Adresse Fahrgasse 10.
Susanne Schmidt starb im Mai 1941 in der Heilanstalt Weilmünster an systematischer Unterernährung. Weilmünster hatte nie eine Gaskammer, aber außergewöhnlich hohe Sterbezahlen. Keiner der Bediensteten wurde nach dem Krieg wegen der Tötungen verurteilt, weil ihnen keine Schuld nachzuweisen war.
Für Johanna Schiff setzten wir am 19.04.2008 einen Stolperstein – als jüdisches Opfer. Der rätselhafte Tod der jungen Frau verwunderte. Erst später erfuhren wir, dass sie ein Opfer der Euthanasie wurde.
Von den anderen Opfern wissen wir sehr wenig, manchmal nicht einmal die letzte Adresse. Für sie konnten wir keinen Stolperstein vor der letzten selbst gewählten Lebensstätte setzen. Auf dem Langener Friedhof erinnert eine Gedenktafel der Stolperstein-Initiative an diese Menschen.
Ihre kurzen Biografien befinden sich am Ende der Seite.
Im Oktober 1939 wurde in ausgewählten Pflegeanstalten mit der systematischen Vernichtung „lebensunwerten Lebens“ begonnen. Für diese Aktion wurde als Deckname die Bezeichnung „Aktion T4“ verwendet, benannt nach dem Sitz der befehlenden „Euthanasie“-Behörde in der Berliner Tiergartenstraße 4.
(Weitere Informationen zu „Aktion T4“ auf den Webseiten T4 Gedenk- & Informationsort für Opfer der NS-»Euthanasie«)
Zu den Pflegeanstalten gehörten: Hadamar (Hessen), Bernburg (Sachsen-Anhalt), Brandenburg, Grafeneck (Württemberg), Hartheim (Oberösterreich) und Pirna Sonnenstein (Sachsen). Bis August 1941 starben dort insgesamt über 70.000 Menschen. Neben Behinderten und Kranken wurden auch als „asozial“ bezeichnete Alkoholiker, Obdachlose und Prostituierte sowie deren Kinder ermordet.
Im August 1941 wurde die Aktion nach Protesten der Kirchen sowie einiger Heimleiter und Heimangestellter offiziell gestoppt, weil sie nicht länger geheimgehalten werden konnte und Bevölkerungsunruhen befürchtet wurden.
Nach 1941 wurde das Programm im Verborgenen weitergeführt. Zu den Opfern gehörten auch durch Kriegsereignisse traumatisierte Soldaten und Zivilisten, tuberkulosekranke Zwangsarbeiterinnen und „halbjüdische“ Fürsorgezöglinge.
Insgesamt fielen während des Krieges schätzungsweise 275.000 Menschen aus Deutschland, Frankreich, der Tschechoslowakei und der Sowjetunion den Euthanasie-Verbrechen zum Opfer.
„Landesheilanstalt Hadamar“
Quelle: http://www.dhm.de/lemo/objekte/pict/pli02843/index.html
Nachdem offiziellen Stop des Euthanasieprogramms wurde die Gaskammer abgebaut und alle Spuren beseitigt. Das Morden war damit jedoch nicht zu Ende. Ab August 1942 bis 1945 verstarben 4422 von 4817 Patienten. Die meisten von ihnen wurden von Pflegern und Schwestern auf Befehl des Anstaltsarztes mit überdosierten Medikamenten getötet und in Massengräbern auf dem Anstaltsfriedhof begraben.
Quellen:
- Verein zur Förderung der Gedenkstätte Hadamar (http://www.region-online.de/verband/gedenkstaette-hadamar/)
- Ausstellung zum 60. Jahrestag der Wannsee-Konferenz vom 20. Januar 1942: Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden 1933-1945 (http://www.ghwk.de/deut/Wanderausstellung/wanderausstellung42.htm)
Kurzbiografien
August Georg Ehrhardt * 03.08.1899 + 29.05.1941
Von August Georg Ehrhardt wissen wir nicht viel mehr, als dass er am 03.08.1899 geboren und am 29.05.1941 in Hadamar ermordet wurde. Er wurde demnach 41 Jahre alt.
Wir erfuhren von August Georg Erhardt 2006 durch Dr. Georg Lilienthal vom Landeswohlfahrtsverband Hessen aufgrund einer Anfrage unserer Initiative an das Archiv in Hadamar. Dabei wurden uns folgende Informationen übermittelt:
Name: Ehrhardt
Vorname: August Georg
Geburts-Datum 03.08.1899
Geburtsort Langen
Letzter Wohnort Langen
Herkunfts-Anstalt Goddelau
Zwischen-Anstalt Weilmünster
Verlegungsdatum nach Hadamar 29.05.1941
Aber selbst das hier erwähnte Todesdatum ist nicht ganz sicher:
In der Regel wurden die Patienten noch am Tag der Ankunft in die im Keller der Anstalt befindliche Gaskammer geschickt und ermordet. Da am 29.05.1941 aber insgesamt 235 Patienten in Hadamar eintrafen und die tägliche Tötungskapazität der Tötungsanstalt maximal 100 Personen betrug, ist es möglich, dass diese Personen erst am 30. oder sogar erst am 31.05. ermordet wurden. Die Tage vom 29. bis 31.05.1941 sind daher als Sterbezeitraum dieser Personen zu betrachten.
August Georg Ehrhardt war demnach Oper der 1. Phase der Euthanasie, bei der zwischen Januar und August 1941 in Hadamar über 10 000 Menschen in der Gaskammer umgebracht wurden.
Im Januar 2011 ergänzte Dr. Lilienthal seine Informationen. Demnach wurde Ehrhardt am 05.04.1941 in die Zwischenanstalt Weilmünster verlegt und von dort am 29.05.1941 nach Hadamar.
Eine Patientenakte ist nicht vorhanden. Diese wurden i.d.R. zusammen mit den Menschen vernichtet. Auch im Philippshospital in Riedstadt (Goddelau) sind keine Unterlagen auffindbar.
In Langen fanden wir bisher keine Informationen über August Georg Ehrhardt. Im Kirchenarchiv ist er nicht verzeichnet. Das Adressbuch von 1939 enthält zwar einen August Erhardt, kaufmännischer Angestellter aus der Hindenburgstraße 44 (heute Friedrich-Ebert-Straße), aber dieser sei nachweislich nicht unser August Georg Ehrhardt.
Wir wissen nicht, weshalb Ehrhardt in die „Heilanstalt“ kam. Wir wissen nichts über seine Vorgeschichte. Wir wissen noch nicht einmal, wo das Opfer hier in Langen gewohnt hat.
Luise Margarete Leyer * 14.08.1902 in Langen (oder 08.11.1907 lt. Gabi Klein) + 20.03.1941 in Hadamar
Luise Margarete Leyer war 38 Jahre alt, als sie ermordet wurde. Sie war das 3. von 8 Kindern. Ihre Eltern waren der Maurer Philipp Christian Leyer und Elisabeth Susanne, geb. Gaußmann. Die Leyers wohnten in der Lerchgasse 33. Da Luise wahrscheinlich nicht verheiratet war, hat sie vermutlich hier gelebt.
Irgendwann und aus unbekanntem Grund kam Luise in das Philippshospital in Goddelau. Dort liegt über sie nur eine Notakte vor, aus der nicht mehr als obige Daten hervorgeht. Die Hauptakte wurde zusammen mit Luise 1941 über die Zwischenanstalt Weilmünster nach Hadamar verlegt und dort vernichtet.
Im Kirchenarchiv ist Luise Margarethe Leyer nicht erwähnt; sie hat also nicht geheiratet und keine Kinder, somit auch keine Nachkommen.
Von Luise Margarethe Leyer ist nur ein Nachfahre ihres Bruders bekannt. Gabi will ihn befragen, ob er etwas weiß (08.02.11).
Quelle:
Opferbuch Hadamar (Mail von Prof. Dr. Christina Vanja vom 03.09.2010)
Georg Sallwey * 08.11.1907 in Langen + 17.11.1944 in Hadamar
Georg Sallwey wurde am 17. November 1944 in Hadamar ermordet. Er war einer von ca. 5000 Patienten, die in dieser 2. Phase der Euthanasie zwischen 1942 und 1945 durch überdosierte Medikamente oder Nahrungsentzug oder vorenthaltener medizinischer Versorgung in Hadamar umgebracht wurden.
Der Fall Sallwey ist außergewöhnlich gut dokumentiert. In Hadamar liegt die Krankenakte* vor, und in dem Buch: Verlegt nach Hadamar, die Geschichte einer NS-„Euthanasie“-Anstalt ist seine Geschichte beschrieben. Außerdem ist eine Tafel der ständigen Ausstellung in Hadamar Georg Sallwey gewidmet.
Es gibt (oder gab) einen Sohn in Pohlheim, dessen Adresse uns bekannt ist. Es gab schon Versuche der Kontaktaufnahme, die aber offensichtlich nicht erfolgreich waren.
Der Fall des Georg Sallwey ist auch deshalb interessant, weil er dokumentiert, dass die Vernichtung der Kranken keineswegs geheim geschah, sondern zumindest bei Betroffenen durchaus bekannt war.
In dem Buch: Verlegt nach Hadamar** wird seine Geschichte so beschrieben (S. 162):
Georg S. aus Frankfurt wurde 1942 wegen progressiver Paralyse in die Landesheilanstalt Eichberg aufgenommen und nach einem Jahr nach Weilmünster weiterverlegt. Wieder ein Jahr später kam er im September 1944 nach Hadamar. Seine Frau hatte ihn die Jahre hindurch regelmäßig mit ihrem gemeinsamen Sohn besucht und schrieb nun auch an die Verwaltung der Landesheilanstalt Hadamar wegen einer Besuchserlaubnis. Doch dieses Mal hatte ihr Brief einen anderen Inhalt als in den vorhergegangenen Schreiben an die jeweiligen Anstaltsleitungen: „Ihr Schreiben vom 29.09.1944 eben erhalten. Ich bin sprachlos, dass mein Mann … nach dort gekommen ist. Da ich weiß von andern Seiten das Hadamar die letzte Station für diesen Mann ist, möchte ich Sie bitten, die Leiche meines Mannes zu verbrennen [,] die Urne hole ich mir dann Persönlich ab. Für die Kosten der Beerdigung komme ich Persönlich auf…“ Daraufhin antwortete ihr Verwaltungsdirektor Klein fürdie Anstalt am 6. Oktober 1944 folgendermaßen: „Ich bestätige den Empfang ihres Briefes vom 4. ds. Mts. Es tut mir leid, Sie wegen ihrer Bemerkung, dass Hadamar die letzte Station sei für Ihren Mann, gerichtlich belangen zu müssen. Sie werden dann Gelegenheit haben zu sagen, von wem Sie derartige Verleumdungen wissen. Es dürfte Ihnen bekannt sein, dass wir eine staatliche Anstalt sind und wir uns derartige Verunglimpfungen nicht gefallen lassen können.“ Darauf antwortete Frau S. am 9. Oktober 1944: „Ihr Schreiben von 6.10.44 erhalten. Sie dürfen mich ruhig anzeigen. Ich weiss es von einem Pfleger der Nervenklinik. Der Pfleger B. [der Nachname des Pflegers ist im Original abgekürzt] hat mir erzählt, das mein Mann ein Jahr nach dem Eichberg kommt, ein Jahr nach Weilmünster und dann Hadamar, das wäre die letzte Station. Es hat auch alles zugetroffen. Sie Schreiben da als ob ich den Tod von meinem Mann wünsch, ich wünschte, ich wäre noch mit meinem Mann zusammen, den[n] wir haben eine sehr glückliche Ehe gehabt, sonst hätte ich nicht 7 Monate mein Mann in diesem Zustand daheim behalten. Hätte ich heute noch ein Heim dann würde ich mein Mann wieder nach Hause holen. Ich habe aber in allen Heimen für meinen Mann gesorgt, und gehungert, damit ich ihm zu essen schicken konnte… Von mir aus kann mein Mann noch lange leben, dass Er nicht gesund wird, ist mir auf dem Eichberg und auch in Weilmünster erklärt worden. Ich bin auch keine Frau, die nachts draussen rum fliegt, ich kenne nur mein Kind und mein Arbeitsplatz, ich beziehe auch keine Unterstützung.“ Danach nannte sie noch ihre neue Adresse, da sie ausgebombt worden war. Am 17. November 1944 um 2:45 Uhr soll ihr Mann in der Landesheilanstalt Hadamar angeblich an „Herzschwäche“ und „paralytischem Verfall“ verstorben sein.
Georg Sallwey war Kaufmann. Er wurde am 08.11.1907 in Langen geboren, wurde somit 37 Jahre alt. Sein Vater war der Metzger Johann Karl Sallwey, seine Mutter Maria eine geborene Bärsch aus Rüsselsheim. Georg war das 8. von 10 Kindern. Sie wohnten in der Bahnstraße 15.
Sallwey heiratete am 23.07.1931 im Alter von 33 Jahren in Frankfurt seine Frau Gertrud H. Als er am 13.11.1942 in die Heilanstalt Eichberg eingewiesen wird, ist als seine Adresse die Gneisenaustraße 23 in Frankfurt am Main vermerkt. Spätere Adressen – vermutlich nur die seiner Frau – sind:
– Heuchelheim bei Gießen, Rodheimer Str. 6, später (9.10.44):
– Gießen, Bahnhofstr. 29, bei S&F
Wann Sallwey Langen verlassen hat ist nicht bekannt.
Die Progressive Paralyse ist eine fortschreitende Lähmungserscheinung, eine Spätform einer nicht behandelten Syphilis. Im Volksmund wird sie „Hirnerweichung“ genannt; sie ist gekennzeichnet durch eine fortschreitende Demenz.
Seit Januar 1942 wurde Georg Sallwey wegen seinem Leiden behandelt. er in die Heilanstalt Eichberg im Rheingau eingewiesen wurde, war er als Patient in der Nervenklinik der Stadt Frankfurt am Main. Vorher war er 7 Monate lang wegen der Krankheit zu Hause. Aufgrund seiner Gewaltattacken war dies jedoch nicht mehr länger möglich (u.a. würgte er seine Frau, weil sie nicht mit ihm in Anwesenheit ihres 10-jährigen Kindes schlafen wollte). In Eichberg wurde er vom 13.11.1942 bis 13.10.1943 behandelt. Anschließend verbrachte er fast ein Jahr in der LHA Weilmünster (bis 29.04.1944), bis er nach Hadamar verlegt wurde. Hier fand er 6 Wochen später den Tod.
Quellen
*Krankenakte in Hadamar (LWV-Archiv, Best. 12 Nr 2298) (eingesehen am x.02.2011 durch Rainer Elsinger, Herbert Walter); Akteineinsichtserlaubnis vom 1.2.2011; Namen dürfen nur mit Erlaubnis des Sohnes veröffentlicht werden.
**Verlegt nach Hadamar: Die Geschichte einer NS-“Euthanasie”-Anstalt (Historische Schriftenreihe des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen) 200
Adolf Heck * 07.01.1883 in Langen + 29.05.1941 in Hadamar
Geboren wurde Adolf Heck am 07.01.1883 in Langen. Sein Vater war Johann Adolph Heck aus Haigersdorf, der als Heizer auf der Ludwigsbahn arbeitete. Dieser war verheiratet mit Elisabeth, geb. Bärenz. Sie war die 2. Ehefrau von Hohann.
Adolf war das 2. von 3 Kindern. Er übte den Beruf des Schlossers aus. Als er ermordet wurde, war er 58 Jahre alt.
Als Adresse wird der Platz der Republik (heute Wilhelm-Leuschner-Platz) angegeben. Die Hausnummer ist nicht bekannt.
Irgendwann und aus unbekanntem Grund wurde Adolf in das Philippshospital in Goddelau eingewiesen. Am 03.04.1941 wurde er in die „Heilanstalt“ Weilburg verlegt, die als Zwischenanstalt zur Tötungsfabrik Hadamar diente.
Hier wurde Adolf am 29.05.1941 vergast. (Info von Prof. Dr. Christina Vanja vom 03.09.2010).
Aber selbst dieses Todesdatum ist nicht sicher. Nach Informationen von Dr.. Lilienthal (18.10.11) wurden die Patienten in der Regel „noch am Tag der Ankunft in die im Keller der Anstalt befindliche Gaskammer geschickt und ermordet. Da am 29.05.1941 aber insgesamt 235 Patienten in Hadamar eintrafen und die tägliche Tötungskapazität der Tötungsanstalt maximal 100 Personen betrug, ist es möglich, dass diese Personen erst am 30. oder sogar erst am 31.05. ermordet wurden. Die Tage vom 29. bis 31.05.1941 sind daher als Sterbezeitraum dieser Personen zu betrachten“.
In der „Heilanstalt Philippshospital“ liegt nur eine Notakte vor; die Krankenakte wurde i.d.R. zusammen mit den Patienten verlegt und in Hadamar vernichtet.
Im Kirchenarchiv ist Adolf Heck nicht erwähnt. Er ist also vermutlich nicht verheiratet und hat keine Kinder.
Adam Kühn * 13.08.1902 in Arheilgen + 29.05.1941 in Hadamar
Adam Kühn starb am 29. Mai 1941 in Hadamar. Es könnte aber auch der 30. oder 31. 05. gewesen sein. In der Regel wurden die Patienten noch am Tag ihrer Ankunft in der „Heilanstalt“ in die im Keller befindliche Gaskammer geschickt und ermordet. Da am 29.05.1941 aber insgesamt 235 Patienten in Hadamar eintrafen und die tägliche Tötungskapazität der Tötungsanstalt maximal 100 Personen betrug, ist es möglich, dass diese Personen erst später ermordet wurden. Die Tage vom 29. bis 31.05.1941 sind daher als Sterbezeitraum dieser Personen zu betrachten.
Adam war zum Zeitpunkt seiner Ermordung 38 Jahre alt. Er hinterließ eine Ehefrau und einen 13-jährigen Sohn.
Geboren wurde Adam Kühn am 13.08.1902 in Arheilgen. Sein Vater war der Weichensteller Heinrich Kühn, seine Mutter hieß Katharina. Adam war das 2. von sechs Kindern.
Er arbeitete als Bau-Hilfsarbeiter und war ab 1926 in Langen wohnhaft. Seine Bleiben wechselten (aus uns unbekannten Gründen) öfters: Ab dem 16.03.1926 wohnte er bei Kablitz in der Bahnstr. 82, ab 15.01.1927 bei Krug (Adresse unbekannt), zwei Monate später (ab 28.03.1927) bei Freud in der Schafgasse 10. Ein ¾ Jahr später (ab 15.01.1928) ist er bei Gümerlein in der Darmstädter Str. 12 gemeldet. Drei Jahre später zieht er in die Blumenstraße 1 (ab 01.01.1931), knapp 2 Jahre später wohnt er bei Werner in der Horst-Wessel-Str. 52, der heutigen Gartenstraße. 1936, ab dem 15.02., ist er bei Schmalz am Taunusplatz 2 wohnhaft, und ein halbes Jahr später (17.08.1936) soll er in die Mainstraße 20 in Wörth am Main gezogen sein.
Aus Wörth stammte seine Frau Emma Barbara, geb. Kaufer, die hier am 31.05.1904 geboren wurde. Adam heiratete die Hausangestellte 1928; am 15.07.1928 fand die kirchliche Trauung hier in Langen statt, einen Monat nach der Geburt seines Sohnes K. Hermann (*15.06.1928). Die standesamtliche Trauung soll aber schon 1927 in Egelsbach stattgefunden haben.
Wann und weshalb Adam Kühn in die „Heilanstalt“ Philippshospital in Goddelau eingeliefert wurde, ist unbekannt. Als letzte Adresse vor der Einlieferung wird (lt. Infos aus dem Bundesarchiv) die Horst-Wesel-Str. 52 (heute: Gartenstraße) in Langen genannt. Dort wohnte Adam von 1932 bis 1936. Im Philippshospital liegt keine Krankenakte und keine Karteikarte vor, aus der der Einlieferungszeitpunkt hervorgehen könnte. Die Akten wurden i.d.R. mit den Patienten nach Hadamar verlegt und dort vernichtet. So wissen wir nicht, ob er die ganze Zeit im Philippshospital verblieb oder zwischendurch wieder „raus“ durfte; evtl. sind die in seinem Meldebogen ab dieser Zeit genannten Adressen die seiner Frau und seines Kindes.
Am 19.04.1941 wird Adam in die Zwischenanstalt Weilmünster verlegt, wo er bis zum 27.05. verbleibt. Am 29.05.1941 erfolgt seine Einlieferung und Tötung in Hadamar. Adam war eines von über 10 000 Opfern, die in dieser sog. 1. Phase der Euthanasie von Januar bis August 1941 in Hadamar mit Kohlenmonoxydgas ermordet wurden
In Egelsbach erinnert sich die 85-jährige Helene Kühn an Adam. Sie ist die Ehefrau von Walter Kühn, eines Neffen von Adam Kühn. Adam war der Bruder ihres Schwiegervaters Wilhelm Kühn, der 1939 im 2. WK fiel.Allerdings kennt sie Adam nur vom Hörensagen, denn erstens war sie damals noch ein Kind (*1928) und zweitens hat sie erst später in die Familie eingeheiratet. Nach den familieninternen Erzählungen hatte Adam damals eine Arbeitsstelle im Wald. Er arbeitete bei Förster Klippstein, einem Nazi. Am Forsthaus Bayerseich an der B3 (Nähe Gugelhupf). Dabei fiel er von einem Baum. In Reaktion sei er dem Förster nachgerannt (warum ist unklar) und habe diesen bedroht. Die Polizei wurde eingeschaltet und brachte Adam nach Goddelau. Von diesem Vorfall abgesehen sei Adam „ein ganz normaler Mensch“ gewesen.
Von Verwandten in Wörth habe sie schon gehört, hat aber keinen Kontakt zu ihnen.
Ein Bruder von Adam soll in Langen gewohnt haben. Er hieß Heinrich Kühn.
Quellen:
Keine Akte und keine Karteikarte im Philippshospital in Goddelau.
Akte im Bundesarchiv in Berlin: Ba-Sign R 179/27829. Von dort erhielten wir am 02.02.2011 allgemeine Infos über Adam Kühn. Die Krankenakte darf aus datenschutzrechtlichen Gründen nur mit Genehmigung von Nachfahren herausgegeben werden. Diese sind weder dem Archiv noch uns bekannt.
Georg Steitz * 26.10.1902 in Langen + 29.05.1941 in Hadamar
Von Georg Steitz wissen wir fast nichts. Er war der Sohn des Joh. Georg Steitz aus Langen und dessen Ehefrau Sophie, geborene Schmidt, von Mörfelden. Aber schon die Adresse Sehretstraße 2 ist nicht gesichert. Ob es sich um den Maurer Georg Steitz I handelt? Wir wissen es nicht.
Im Kirchenarchiv findet sich kein Eintrag, also war er nicht verheiratet und hatte keine Kinder, u d daher auch keine Nachkommen.
Nach der Kartei in Hadamar war sein letzter Wohnort Mörfelden.
Als erste Station seiner Klinikaufenthalte wird die Uni-Klinik in Ffm genannt. Über die Zwischenanstalt Weilmünster wir er am 24.02.1941 in die „Heilanstalt“ Hadamar verlegt. In der Regel wurden die Patienten noch am Tag der Ankunft in die im Keller der Anstalt befindliche Gaskammer geschickt und ermordet.
Anna Barbara Werner * 05.01.1909 + 21.05l1941
Anna Barbara Werner war 32 Jahre alt, als sie in Hadamar ermordet wurde. Ihr Weg dorthin liegt weitgehend im Dunkeln.
Irgendwann wurde sie aus unbekanntem Grund in das Philippshospital in Goddelau eingewiesen. Wie lange sie hier verbrachte, wissen wir nicht. Am 18.04.1941 verlegte man sie in die Zwischenanstalt Weilmünster und einige Wochen später nach Hadamar, wo sie in der Gaskammer ermordet wurde.
Der 06.06.1941 ist in der städtischen Meldekartei als Todestag vermerkt. Dieses Todesdatum ist wahrscheinlich falsch. Nach Auskunft von Dr. Lilienthal von der Gedenkstätte Hadamar wurde Anna Barbara Werner bereits am 21.05.1941 ermordet. Der den Angehörigen mitgeteilte Todestag wurde von der anstaltseigenen Fälscherwerkstatt ebenso wie die Todesursache frei erfunden, um den wahren Tathergang zu verschleiern.
Doch selbst der 21.05.1941 steht nicht zweifelsfrei fest:
In der Regel wurden die Patienten noch am Tag der Ankunft in die im Keller der Anstalt befindliche Gaskammer geschickt und ermordet. Da die tägliche Tötungskapazität der Anstalt maximal 100 Personen betrug, ist es möglich, dass sich bei größeren Transporten die „Behandlung“ über mehrere Tage hinzog. So ist im vorliegenden Fall auch der 22.05.1941 als möglicher Todestag anzunehmen.
Geboren wurde Anna Barbara am 05. Januar 1909 in Langen. Ihr Vater war der Maurer Johannes Christian Werner, ihre Mutter Kunigunde eine geborene Dotterweich. Sie war das 2. von vier Kindern.
Über ihr weiteres Leben ist nichts bekannt. War sie verheiratet? Im Kirchenbuch ist keine Heirat vermerkt.
War sie krank? Im Philippshospital in Riedstadt liegt nur eine Notakte vor, aus der lediglich obige Personendaten hervorgehen. Ihre Krankenakte wurde mit ihr nach Hadamar verlegt und dort ebenfalls vernichtet.