Familien Bendheimer, Strauß, Landauer
Bendheimer, Jonas * 22.12.1870 Y 02.10.1941 Frankfurt
Bendheimer, Rosa, geb. Nathan * 06.10.1864 Y 25.06.1941 Frankfurt
Bendheimer, Selma, verh. Schallemacher * 28.09.1896 überlebt in Großbritannien
Bendheimer, Paula Elisabeth, verh. Landau * 20.03.1898 Y 05.05. 1942 Sobibor
Bendheimer, Ella * 28.08.1899 Y 18.12.1928 Langen
Bendheimer, Anna * 26.05.1902 überlebt in Frankfurt
Jonas Bendheimer
* 22.12.1870 Y 02.10.1941 Frankfurt
Jonas Bendheimer wurde am 22.12.1870 in Urberach geboren. Seine Eltern waren Isaak und Rebekka Bendheimer. Die Eltern zogen am o3.05.1876 mit ihren drei Söhnen Salomon, David und Jonas von Urberach nach Langen.
Rosa Bendheimer geb. Nathan
* 06.10.1864 Y 25.06.1941 Frankfurt
Rosa Bendheimer wurde am 06.10.1864 in Sandhausen geboren. Am 11. Dezember 1895 heirateten Jonas Bendheimer und Rosa Nathan in Langen. Die Familie wohnte seit 1900 in der Dieburger Straße 8 im Hause des Herrn Konrad Görich III. Dort betrieb Jonas Bendheimer auch ein Lager mit Schuhwaren.
Jonas Bendheimer besuchte die Volksschule, danach erlernte er das Schusterhandwerk. Neben seinem Handwerk hatte er ein kleines Schuhgeschäft. 1891 verkaufte er Schuhe und Stiefel im Haus Ruben Bendheim, Obergasse 19. Er selbst wohnte damals bei Ludwig Jourdan in der Obergasse 14 und verkaufte neben den Schuhen auch Wolle und Zigarren, außerdem „Union-Bier“ und Selterswasser. Später wohnte er im Leukertsweg 6 und hatte sogar ein Telefon, was damals eher selten war.
Seit mindestens 1910 führte er einen Altwarenhandel, den er aus den kleinsten Anfängen „durch seinen Fleiß“ soweit gebracht hatte, dass er lange Jahre seine Waren waggonweise direkt an die Fabrik liefern konnte. 1914 betrieb er auch eine Versicherungsagentur: Berlinische Feuer- und Hamburg-Mannheimer Lebensversicherung.
Im ersten Weltkrieg betrieb Rosa Bendheimer das „Lumpengeschäft“ (Altwarenhandel) weiter, während Jonas Bendheimer zum Militär einberufen wurde. Am 11.12.1920 feierten Rosa und Jonas Bendheimer ihre Silberne Hochzeit.
1933 ging das Geschäft enorm zurück. Daraufhin verkaufte er aus einer unauffälligen Tasche Strickwoll-Bestände, die noch vom früheren Handel vorrätig waren. Er konnte trotzdem von diesen kleinen Gelegenheitsverkäufen nicht leben und erhielt schon 1935 Armenunterstützung.
Nachdem die Synagoge am 10.11.1938 in Brand gesetzt worden war, stürmten die Nazischläger das Haus im Leukertsweg 6.
„Im Hause Bendheimer misshandelten sie eine Mitbewohnerin. Sie zerschlugen der Tochter des Jonas Bendheimer, die als Bürstenmacherin arbeitete, sämtliche Materialvorräte. Das Dreirad, mit dem Jonas Bendheimer seine Waren transportierte, warfen sie in den städtischen Steinbruch und zündeten es an“. (Siehe: Heidi Fogel, Beiträge zur Stadtgeschichte, Langen 1983, S. 206)
Die örtlichen Machthaber zwangen die jüdischen Haus- und Grundbesitzer, die im November 1938 noch in Langen waren, ihre Häuser und Grundstücke weit unter Wert zu verkaufen. Am 11.11.1938 „wurde die Familie des Altwarenhändlers Jonas Bendheimer von Polizeibeamten und anderen Beauftragten des Bürgermeisters gegen ihren erklärten Willen auf das Amtsgericht gebracht und dort unter Androhung von Gewalt zur Unterzeichnung vorgefertigter Kaufverträge genötigt.
Diese Transaktion ist ein Zeugnis von Korruption und Vetternwirtschaft in der lokalen politischen Führung. Bürgermeister Göckel machte sich selbst zum Begünstigten des erzwungenen Verkaufs. Er nötigte die jüdische Familie, eines ihrer Ackergrundstücke zu einem besonders niedrigen Preis an Göckels Schwiegersohn Georg Heberer abzugeben. Mit diesem lebte der Bürgermeister in Hausgemeinschaft und bewirtschaftete mit ihm zusammen einen Bauernhof.“ (Stadtführer, Langen 1997, S. 24)
Rosa und Jonas Bendheimer verließen Langen am 28.11.1938 und zogen nach Frankfurt a.M., Seumestraße 6. Dort starb Rosa Bendheimer am 25. Juni 1941. Jonas Bendheimer überlebte seine Frau nur kurz. Er starb am 2. Oktober 1941 ebenfalls in Frankfurt.
Rosa und Jonas Bendheimer hatten vier Töchter: Selma, Paula Elisabeth, Ella und Anna.
Selma Bendheimer wurde am 28. September 1896 in Langen geboren. Nach der Schule lernte sie in den Jahren 1911 bis 1913 den Beruf der Modistin in Frankfurt a.M. in der Kaiserpassage bei Frau Lilli Zimmer. In der Zeit vom 5. Mai 1913 bis zum 31. Dezember 1913 arbeitete sie als Putzmacherin in Hamburg. Von 1914 bis 1915 war sie im Hutsalon Hoeppner-Höhlein in Frankfurt an der Katharinenpforte als Modistin angestellt.
Als sie bemerkte, das sie blind wurde, ging sie ab dem 2.8.1918 für 1½ Jahre nach Berlin-Steglitz in das jüdische Blindenheim, um das Bürsten- und Besenbinder-Handwerk zu lernen.
Selma heiratete am 04.05.1920 in Berlin-Steglitz Arthur Schallemacher, von dem sie später aber geschieden wurde. Nach ihrer Scheidung schien sie nach Chemnitz gegangen zu sein, von dort kam sie am 17.06.1932 zurück in ihr Elternhaus nach Langen. Nach einigen Jahren selbstständiger Tätigkeit war sie von 1934 bis 1935 wieder in Frankfurt a.M., im Hutsalon Aenne Schäfer, Goethestraße (jetzt Bleichstraße), beschäftigt. Nach ihrer Entlassung aus dieser Stellung zahlte sie freiwillige Invalidenbeiträge weiter. Ende 1937 reichte sie einen Antrag auf Invalidenrente ein.
Zwischenzeitlich wohnte sie wieder in Berlin-Steglitz in der Muthesiusstr. 23 und kam von dort am 01.07.1938 zurück nach Langen.
Nach der Demolierung ihrer Wohnung und ihrer Werkstatt meldete sie sich am 28.11.1938 gemeinsam mit ihren Eltern nach Frankfurt a.M., Seumestraße 6, ab.
Nachdem sie in Frankfurt nicht mehr arbeiten konnte, wanderte Selma im Sommer 1939 nach Großbritannien aus.
In England lebte sie in einem jüdischen Blindenheim von freiwilliger Unterstützung ohne jedes Einkommen. Sie war nicht arbeitsfähig, da sie vollkommen erblindet war und ihr ein Bein amputiert werden mußte.
In Rokefield, Westcott, bei Dorking, Surrey starb Selma Schallemacher am 13. August 1966.
Paula Elisabeth Bendheimer wurde am 20. März 1898 in Langen als zweite Tochter geboren. Sie lernte zwei Jahre in einer Bügelei.
1923 heiratete sie den Altwarenhändler Hugo Strauß (geboren am 27.12.1891 in Sprendlingen). Hugo Strauß war Soldat im ersten Weltkrieg und hatte sich danach auf Altwarenhandel spezialisiert. Die beiden hatten zwei Töchter, Meta Jenny, geboren 01.05.1924 und Edith Beate, geboren am 29.09.1925.
Am 12. Februar 1935 starb Hugo Strauß. Am 21.08.1937 heiratete sie in zweiter Ehe den Reisenden Richard Landau, der am 11.01.1897 in Pforzheim geboren wurde. Diese Ehe blieb kinderlos. Die Familie lebte im Haus ihrer Eltern. Hier erlebten sie am 09. November 1938 die Reichspogromnacht.
“Am 10. November 1939 kam am Vormittag Polizei und arretierte Richard Landau und seine Ehefrau Paula Elisabeth. Der Vater Jonas Bendheimer arbeitete auf dem Feld und die Mutter und Paulas Schwester Selma waren mit im Haus. Eine Stunde nach dem die beiden verhaftet waren, kamen plötzlich vier Männer mit Äxten ins Haus, trieben die Mutter und Schwester auf die Straße, dann schlugen sie im Haus alles kurz und klein. Nachdem alles kaputt geschlagen war, brachte man auch die Mutter Rosa und die Schwester Selma Bendheimer ins Gefängnis und versiegelte das Haus. Am Abend wurden sie wieder entlassen. Als sie das Haus betraten, war nichts mehr von der Einrichtung zu gebrauchen. Sie hatten nicht einmal mehr eine ganze Kaffeetasse.” Bericht von Selma Bendheimer (aus den Entschädigungsakten).
Zusammen mit den Eltern, ihrem Ehemann, den Töchtern aus erster Ehe und der Schwester Selma meldete sie sich am 28.11.1938 nach Frankfurt, Seumestraße 6 ab.
Im Mai/Juni 1942 wurden Paula und Richard Landau mit ihren Töchtern nach Lublin deportiert. Richard Landau musste – wie alle anderen Männer dieses Transportes – den Zug schon in Majdanek verlassen. Durch die schrecklichen Zustände im dortigen Lager starben all diese Männer innerhalb kürzester Zeit. Das Todesdatum von Richard Landau wurde mit dem 06.09.1942 angegeben.
Seine Frau und die Kinder wurden vermutlich am 05.05.1942 im Vernichtungslager Sobibor ermordet.
Ella Bendheimer wurde am 28. August 1899 in Langen geboren. Sie besuchte nach der Grundschule sechs Jahre lang das Gymnasium in Langen und daran anschließend ein Jahr lang die höhere Handelsschule.
Sie starb im Alter von 29 Jahren am 18. Dezember 1928.
Anna Bendheimer, die vierte Tochter, wurde am 26. Mai 1902 geboren. Nach der Volksschule machte sie eine zweijährige kaufmännische Ausbildung an der Gansschen Handelsschule in Frankfurt a.M.
In der Zeit von 1924 bis 1927 lebte sie teilweise in Krefeld und Bad Münster am Stein, wo sie als Krankenschwester arbeitete.
Sie heiratete am 8. August 1930 in Frankfurt den Juristen Johannes Becker. Nach der Heirat zog sie mit ihrem Mann nach Frankfurt. Dort bekam sie Sohn Hans Dieter und die Tochter Anneliese.
Johannes Becker, der am 23.12.1897 in Insterburg (Ostpreußen) geboren wurde, begann 1923 seine juristische Laufbahn als Referendar in Frankfurt.
In der NS-Zeit blieben dem mit Anna Bendheimer verheirateten Richter berufliche Schwierigkeiten nicht erspart, weil er seine jüdische Frau nicht im Stich lassen wollte. Er wurde aus der 7. Zivilkammer in das Grundbuchamt versetzt und im letzten Kriegsjahr zur Arbeit in einem Werk der Rüstungsindustrie abkommandiert. Er starb am 10.05.1971 Frankfurt a.M.
Anna lebte noch bis mindestens 1967. In der Todesanzeige ihres Mannes 1971 wird sie nicht mehr erwähnt.
Weitere Informationen finden Sie im Buch “Vergessene Nachbarn – Juden in Langen ca.1704 bis 1938”, Verlag BoD Books on Demand, Norderstedt, 2019, ISBN: 978-3-7494-9722-5
50 (S. 131), 263, 345, 162, 265, 42