Familie Morgenstern

Morgenstern, Isaak                                      * 03.04.1875   Y 03.02.1944 Theresienstadt

Morgenstern, Cilli, geb. Friedmann              * 25.12.1881   Y 15.05.1944 Auschwitz

Morgenstern, Hilda Berta, verh. Rothschild  * 27.02.1907      überlebt in USA

Morgenstern, Erna Sophie                            * 05.03.1908  Y 29.01.1943 Auschwitz

Friedmann, Tatjana                                       * 16.03.1885      überlebt in Brasilien

Stolpersteine Vierhäusergasse 1

Verlege-Aktion 8. März 2007

Isaak Morgenstern

* 03.04.1875 Y 03.02.1944 Theresienstadt

Isaak Morgenstern wurde am 3. April 1875 als Sohn des Aron und der Johanna Morgenstern, geborene Strauss, in Sprendlingen geboren. Die Familie lebte seit 1. April 1914 in Dieburg.

Er betrieb bereits vor dem Ersten Weltkrieg ein En gros- und En detail-Schuhgeschäft in der Steinstraße in Dieburg. Dort beschäftigte er zwei bis drei Verkäuferinnen. Nach dem Boykott jüdischer Geschäfte war er 1933 zur Aufgabe des Geschäfts gezwungen. Die bis dahin recht wohlhabende Familie hatte ein Opel-Mobil. Es wurde konfisziert und zu einem Spottpreis zwangsweise verkauft.

Laut einer Zeugenaussage in den Entschädigungsakten wurde Isaak Morgenstern beim Eintreiben von Außenständen derart brutal verprügelt, dass er schwer verletzt auf der Straße liegen blieb. Durchreisende Niederländer brachten ihn nach Hause. 

Nach der Geschäftsschließung erfolgte am 1. Juli 1934 der Umzug der Eheleute – zusammen mit der jüngeren Tochter Erna Sophie – in das familieneigene Haus nach Langen, Vierhäusergasse 1. Hier betrieb die Schwägerin Toni Friedmann ebenfalls ein Geschäft.

Cilli Morgenstern, geb. Friedmann

* 25.12.1881 Y 15.05.1944 Auschwitz

Vor 1907 (genaues Datum unbekannt) heiratete Isaak Morgenstern die am 25.12.1881 in Wilna geborene Cilli Friedmann. Ihre Eltern waren gut situiert und besaßen ein Juwelier- und Silberwarengeschäft.

Isaak und Cilli hatten zwei Kinder. Tochter Hilda Berta wurde am 27.02.1907 in Neu-Isenburg geboren. Am 5. März 1908 kam die zweite Tochter, Erna Sophie, ebenfalls in Neu-Isenburg zur Welt.

Hilda Berta Rothschild, geb. Morgenstern

* 27.02.1907 überlebt in USA

Hilda Berta heiratete 1938 den Arzt Karl Friedrich Rothschild. Dieser war seit 1918 Facharzt für innere Medizin und hatte seine Praxis ab 1928 in der Eschersheimer Landstraße 67 in Frankfurt. Bereits 1933 wurde ihm die kassenärztliche Zulassung als Facharzt entzogen. Er führte nun seine Praxis ausschließlich für jüdische Patienten. Am 27.09.1938 meldete sich Hilda Berta um nach Frankfurt, Kronberger Str. 10.

Ihr Ehemann schied kurz darauf, am 12. November 1938, nach dem November-Pogrom aus Verzweiflung über die drohende Verschleppung in ein Konzentrationslager durch Freitod aus dem Leben.

Im Oktober 1939 flüchtete Hilda Berta über Italien in das US-amerikanische Exil. Sie wohnte in Massachusetts, heiratete ein zweites Mal und hatte aus dieser Ehe zwei Kinder.

Erna Sophie Morgenstern

* 05.03.1908 Y 29.01.1943 Auschwitz

Erna Sophie Morgenstern wurde am 5. März 1908 in Neu-Isenburg geboren. Sie war Lehrerin für Mathematik, Physik und Chemie. Sie unterrichtete am Philanthropin in Frankfurt und zweimal wöchentlich auch an einer jüdischen Schule in Darmstadt. Verfolgungsbedingt bekam sie keine Zulassung zum Assessorenexamen. Sie blieb unverheiratet.

Am 06.09.1938 meldete sie sich nach Frankfurt, Wolfgangstr. 14, ab. Ab September 1941 wohnte sie in der Jahnstraße 5.

Ihr Vermögen belief sich laut Devisenakten am 13. Oktober 1940 noch auf 550 Reichsmark. Es unterstand einer „Sicherungsanordnung“ der Devisenstelle, die den monatlichen „Freibetrag“ am 27. September 1941 auf 320 Reichsmark und am 23. April 1942 auf 150 Reichsmark festsetzte.

Beim November-Pogrom 1938 kam es zur Plünderung und der Demolierung des Wohnungsinventars der Familie Morgenstern. Noch bevor die Synagoge in Brand gesetzt wurde, war Isaak Morgenstern von der Langener Polizei verhaftet worden. Er erlebte die Verwüstung seiner Wohnung nicht mit, da er im Rathaus in Arrest gehalten wurde.

Die Familie Morgenstern war schon vorher Ziel gewalttätiger Ausschreitungen geworden.

Wenige Tage vor der ‘Reichskristallnacht’ hatte der SA-Mann Peter Sehring den in Langen ansässigen jüdischen Schuh- und Textilhändler Isaak Morgenstern vor aller Öffentlichkeit geohrfeigt und mit einem elektrisierenden Stab, wie man ihn zum Viehtreiben benutzt, misshandelt. Er hatte mit Steinen nach der Wohnung der Familie Morgenstern geworfen und war nun, am 10. November 1938, als Rädelsführer an der Zerstörung ihrer Wohnungseinrichtung beteiligt.“ (Heidi Fogel, Nationalsozialismus in der Dreieich, S. 304)

Am 01.12.1938 verließen die Morgensterns Langen, wo sie über fünf Jahre Demütigung erfahren hatten. Sie zogen nach Frankfurt zu ihrer Tochter Hilda Berta.

Die Liegenschaft musste an die Firma „Heinrich Dröll V“ verkauft werden. Isaak Morgenstern war außerdem Eigentümer mehrerer Liegenschaften in Sprendlingen.

Letzte Frankfurter Adresse der Eheleute Morgenstern und ihrer Tochter Erna war die Jahnstraße 5 bei Jakobine Wohlfahrt.

Isaak Morgenstern wurde am 18. August 1942 im Alter von 68 Jahren bei der siebten großen Deportation aus Frankfurt zusammen mit seiner 60-jährigen Ehefrau Cilli und seiner Tochter Erna Sophie in das Durchgangslager Theresienstadt verschleppt, wo er eineinhalb Jahre später starb. Laut einer Zeugenaussage in den Entschädigungsakten verhungerte er dort.

Cilli Morgenstern und ihre Tochter Erna Sophie , die (laut Entschädigungsakten) kurz nach der Ankunft in Theresienstadt erkrankt waren, kamen am 15. Mai 1944 im Vernichtungs- und Konzentrationslager in Auschwitz ums Leben. Laut einer Zeugenaussage wurde die Tochter Erna Sophie noch vor dem Tod von Isaak Morgenstern dorthin deportiert.

Tatjana Friedmann

* 16.03.1885 überlebt in Brasilien

Tatjana (Toni) Friedmann wurde am 16.März 1885 in Wilna geboren. Sie war die Schwester von Cilli Friedmann, verheiratete Morgenstern.

Sie wohnte ebenfalls in Langen in der Vierhäusergasse 1. (Telefon 133) und war Inhaberin eines gut gehenden Schuhgeschäftes. Sie hatte ein Dienstmädchen, welchem sie monatlich 45 RM zahlte.

Tatjana war im Alice Frauenverein und im Ausschuss der Volkshilfe tätig.

Der  Alice-Frauenverein wurde am 18.09.1914 vom Roten Kreuz gegründet. Im Ausschuss waren der Vorsteher der israelitischen Gemeinde,  Ärzte und Geistliche.

Der Alice-Frauenverein organisierte die krankenpflegerische Ausbildung von Frauen im 1. Weltkrieg. Er ging später im Roten Kreuz auf. Die Volkshilfe führte (vor der Nazizeit) u.a. eine Wintersammlung für Bedürftige durch. In ihr organisierten sich hilfsbereite Menschen aus dem politischen und kirchlichen Umfeld.

Eine der ersten Amtshandlungen des kommissarischen Nazi-Bürgermeisters Heinrich Göckel im April 1933 war es, Toni Friedmann aus dem Ausschuss der Volkshilfe zu entlassen.

Nach der Aufgabe ihres Geschäfts im Jahre 1935 hatte sie keinerlei Einkommen. Sie meldete sich am 23. Dezember 1936 nach Frankfurt a.M., Jahnstraße 5, ab. Gegen freie Kost führte sie hier den Haushalt von Frau Jakobina Wohlfahrt.

Mit Hilfe und finanzieller Unterstützung ihres in Brasilien lebenden Bruders Erwin gelang ihr am 12. Oktober 1939 die Auswanderung nach Brasilien.

Weitere Informationen finden Sie im Buch “Vergessene Nachbarn – Juden in Langen ca.1704 bis 1938”, Verlag BoD Books on Demand, Norderstedt, 2019, ISBN: 978-3-7494-9722-5

(S. 247)

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