Ehemalige Dieburger Schule
(jetzt Geschwister-Scholl-Schule)
Vor der Höhe 12

In der damaligen Dieburger Schule waren während des Krieges Kriegsgefangene untergebracht. Diese mussten in der Sektkellerei Wagner und der Likörfabrik Kohut sowie bei der Reichsbahn und im Steinbruch arbeiten.
Kontakte der Bevölkerung zu den Kriegsgefangen waren verboten. Sie wurden als „Untermenschen“ bezeichnet und die Bevölkerung wurde gegen sie aufgehetzt. Menschen, die man dabei erwischte, wie sie ihnen etwas zu essen zusteckten, wurden mit Gefängnis bestraft. Am 9.7.1943 verurteilte das Amtsgericht in Darmstadt eine Langenerin wegen „verbotenem Umgang mit Kriegsgefangenen“ zu 1 ½ Jahren Gefängnis.
Es gab aber immer wieder Leute, die das trotzdem taten. Z.B. steckte der elfjährige Artur Rosenberg einem russischen Kriegsgefangenen ein Brot zu, das vor einer Bäckerei zum Auskühlen ausgelegen hatte.
Zwei französischen Häftlingen gelang die Flucht, weil die Langenerin Anna Freund ihnen zivile Kleidung gab. So konnten sie in einem unbeobachteten Moment den Stacheldraht vor den Fenstern entfernen und unerkannt über die angrenzenden Felder fliehen.

Ehemaliger Hof von Nazi-Bürgermeister
Heinrich Göckel
Dieburgerstr. 2

Hier war der Hof des Nazi-Bürgermeisters Göckel, ein „Erbhof“. Erbhöfe durften lt. Reichserbhof-Gesetz von 1933 nur von Deutschen oder Menschen stammesgleichen Blutes geführt werden und galten als Lebensquell der nordischen Rasse.
Heinrich Göckel war 1922 über eine Liste deutsch-nationaler Parteien und des Hessischen Bauernbundes in den Langener Gemeinderat gewählt worden. Er trat 1931 zur NSDAP über und verschaffte dadurch den Nazis einen Sitz im Gemeinderat. Er war Vorsitzender des Bauernverbandes, Provinz Starkenburg, und wurde 1933 Landeskirchenrat.
Göckel wurde 1933 von den Nazis kommissarisch als Bürgermeister eingesetzt, nachdem man den gewählten Bürgermeister Zimmer aus dem Amt entfernt hatte. Er behielt dieses Amt bis 1945. Auf dem Hof beschäftigte Göckel viele Zwangsarbeiterinnen und -arbeiter sowie Kriegsgefangene. Er verstarb nach Kriegsende, bevor ihm der Prozess gemacht werden konnte.

Ehemaliges Gasthaus Kronenhof
Darmstädter Str. 1

Im Kronenhof wurde Anfang Januar 1930 der Ortsverband der NSDAP von 7 Personen gegründet. Während des Krieges waren im Kronenhof ZwangsarbeiterInnen untergebracht, die in Landwirtschaft und Gewerbe eingesetzt waren.

Ehemaliges Finanzamt
Fahrgasse 24

Links hinter den Bäumen das ehemalige Finanzamt

Im Finanzamt arbeiteten mehrere „alter Kämpfer“, wie man die Personen, die schon vor 1933 Mitglied der NSDAP geworden waren, nannte. Sie waren bei den jüdischen Bürgerinnen und Bürgern wegen ihres rüden und schikanösen Verhaltens gefürchtet. Z.B. postierten diese Beamten einen Aushängekasten der Nazi-Zeitung „Stürmer“ so auf dem Bürgersteig, dass die Juden, die in die Synagoge zum Gottesdienst wollten, die Fahrbahn überqueren mussten.

Ehemaliges Textilgeschäft Kahn
Fahrgasse 23

Hier hatte die jüdische Familie Kahn ihr gut gehendes Textilgeschäft. Nach der Machtergreifung der Nazis und der Losung: „Kauft nicht bei Juden!“ wurden die Kunden des Geschäfts von den Beamten des gegenüberliegenden Finanzamtes verlacht, verhöhnt und belästigt.
Deshalb musste Moritz Kahn 1934 den Textilladen schließen. Im Sommer 1935 emigrierte die Familie nach Palästina.
Mit einer Anzeige im „Langener Wochenblatt“ verabschiedete sie sich von ihren Langener Freunden, Bekannten und ihrer früheren Kundschaft mit einem „herzlichen Lebewohl“. Diese Annonce führte zu Ausschreitungen gegen den Herausgeber der Zeitung (siehe Station 11).

Ehemaliges Schuhhaus Simon
Darmstädter Straße 6

Schuhhaus Simon

Georg und Karl Simon waren als Juden und als Sozialdemokratien gleich doppelt im Visier der Nazis. Sie führten zusammen mit ihrer Mutter Karoline das größte Schuhgeschäft in Langen, ein alt eingesessener Betrieb, den ihr Großvater vor über 60 Jahren gegründet hatte. Die Geschäfte gingen gut; über 10 Angestellte standen bei ihnen im Brot und die Kunden kamen auch von außerhalb.
Bereits am 6. März 1933 (also dem Tag nach der Reichstagswahl) überfielen früh morgens Nazis Georg, Karl und ihre Mutter in deren Wohnung und schlugen auf sie ein. Die beiden Brüder wurden verhaftet und ins Langener Gefängnis gesperrt, kamen aber noch am selben Abend – nach Intervention des Oberamtsrichters – wieder frei.
Eine Woche später, in der Nacht vom 12. März 1933, rotteten sich 40 bis 50 Leute vor dem Haus der Simons zusammen, brachen schließlich ein zweites Mal ins Haus ein und verprügelten Georg und Karl wieder. Noch im Nachthemd brachte man sie erneut ins Gefängnis im Rathaus. Beide wurden „verhört“, bespuckt und bis zur Bewusstlosigkeit geschlagen. Schließlich mussten sie unterschreiben, dass ihnen nichts passiert sei und dass sie Langen sobald wie möglich verlassen würden. Dann wurden sie nach Hause entlassen.
Karl flüchtete sofort nach der Entlassung nach Frankfurt. Als er im April noch einmal in Langen seine Mutter besuchte, blieb dies nicht unbemerkt und er wurde erneut kurzzeitig in „Schutzhaft“ genommen. Im November flüchtete Karl nach Paris, von wo er im März 1939 nach New York emigrierte.
Karoline Simon brachte sich vorübergehend bei Verwandten in Nierstein in Sicherheit und meldete sich dann mit Sohn Georg am 18.07.1933 nach Frankfurt ab. Hier lebte sie ohne Einkommen von dem, was sie beim Zwangsverkauf des Geschäftes in Langen erhalten hatte.
Georg wanderte im Dezember 1937 nach New York aus. Er verdiente seinen Lebensunterhalt zunächst mit Gelegenheitsarbeiten, als Geschirrwäscher, Reiniger und Kehrer, später als Taxifahrer. Seine Mutter folgte ihm im März 1939.
Die Simons waren die ersten Langener Juden, die nach der Machtergreifung der Nazis unsere Stadt verlassen mussten.

Wohn- und Geschäftshaus
der Familie Lazarus
Rheinstraße 6

Textilfabrik Lazarus

Hier unterhielt die Familie Lazarus ein „Weißtuchgeschäft“. Die Familie war seit 1819 in Langen ansässig. Moses Lazarus hatte hier eine Tricotwarenfabrik gegründet, in der auch seine Söhne Siegfried und dessen jüngerer Bruder Moritz arbeiteten.
Nach Moritz frühem Tod 1920 verdiente seine Witwe Hilda ihren Lebensunterhalt durch die Vermietung von Zimmern, zumindest bis 1933; denn nach dem Boykottaufruf der Nazis blieb ihr nur noch ein einziger Mieter. Im August 1938 verließ sie Langen und zog nach Frankfurt.

Auch die Wohnung der Lazarus-Familie wurde am 9. November 1938 von fanatisierten Menschen demoliert und sie mussten hilflos mit ansehen, wie ihre Wäsche aus dem Fenster geworfen wurde. Eine Woche später, am 15. November 1938, meldete sich die Familie ab nach Frankfurt/M. Ihr Haus „verkauften“ sie an Wilhelm Battenhausen.

Dieser unterhielt seit 1935 einen Lebensmittelladen im Haus Lazarus. Schon im Juli 1938 hatte Battenhausen behauptet, Hilda Lazarus habe ein (nach den Nürnberger Gesetzen verbotenes) Verhältnis mit dem (letzten verbliebenen) nichtjüdischen Mieter. Die Vorwürfe waren jedoch, wie der NSDAP-Ortsgruppenleiter in seinem Schreiben an den Kreisleiter selbst einräumte, vollkommen aus der Luft gegriffen. Der Lebensmittelhändler hatte wohl gehofft, mit dem Mittel der Denunziation das Geschäftshaus in seinen Besitz zu bringen, was bisher am Veto von Hildas Schwager und Miteigentümer Siegfried Lazarus gescheitert war. Der Bürgermeister empfahl, trotz der obigen Einschätzung, den Schwager einer „polizeilichen Behandlung“ zu unterziehen.
Siegfried Lazarus und seine Frau Adele flüchteten nach den November-Pogromen 1938 nach Frankfurt. Sie wurden 1942 in das KZ Theresienstadt deportiert, was beide nicht überlebten. Ihre Tochter Erna verließ Langen bereits im September 1938. 1941 nahm sie sich in Frankfurt das Leben. 1942 deportierten die Nazis ihre Schwester Gertrud Fanny und ermordeten sie im Vernichtungslager Sobibor. 
Ihr Bruder Stephan kam im November 1938 in das Konzentrationslager Buchenwald, konnte es ein Vierteljahr später jedoch wieder verlassen. Sein weiteres Schicksal ist offiziell unbekannt. Vermutlich wurde er, wie seine Eltern, nach Osteuropa verschleppt und dort ermordet.

Hilde Lazarus wurde von Frankfurt aus nach Riga deportiert und dort ermordet. Ihre Tochter Emmy, die Langen ebenfalls im August 1938 verlassen hatte, konnte nach Amerika auswandern und so als Einzige der Familie überleben.