Freibad
Teichstraße 28

Schild am Eingang des Freibades mit der Aufschrift: Juden sind nicht erwünscht

An der Stelle, wo sich heute das Freibad befindet, lag früher der Mühlteich. Er wurde als Badesee genutzt. 1934 wurde der Teich durch den Neubau des Schwimmstadions ersetzt, eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, die mit großem propagandistischem Aufwand der Nazis einherging. Seit seiner feierlichen Eröffnung im Juni 1934 befand sich am Eingang eine Tafel mit der Aufschrift: „Juden nicht erwünscht!“ Stolz berichtete die Bauernzeitung Rhein-Main-Neckar vom judenfreien Langener Bad und fragt: „Wann werden die übrigen Bäder nationalsozialistisch handeln lernen und auf die Juden verzichten? Deutsche Menschen sollten auf alle Fälle daraus die Folgen ziehen und nur in judenreinen Bädern Erholung, Luft und Sonne suchen“.

Ehemalige Fabrik und Wohnhaus der Familien Wolf
Hügelstraße 12

An der Stelle des großen Wohnhauses Hügelstraße 12 stand bis vor wenigen Jahren die Werkstatt der Glaserei Horn. Hier betrieb bis 1933 die jüdische Familie Wolf ihre Seifenfabrik.

Hier stand früher die Seifen-Fabrik und das Wohnhaus der Familie Wolf. Markus Wolf und seine Söhne Friedrich und Semy stellten koschere Seife her. Ihre Produkte wurden deutschlandweit beworben und auch im Ausland verkauft. In Folge der Weltwirtschaftskrise geriet die Firma in finanzielle Schwierigkeiten und musste Konkurs anmelden

Eine Anzeige der Firma Wolf im Langener Wochenblatt vom 12.07.1905 (oben). Auch im Israelit erschien am 03.07.1890 ihr Inserat (unten).

Semy und Friedrich beabsichtigten, mit ihren Familien zu emigrieren. Bei beiden Familien hatten die Familienoberhäupter die Aufgabe, die Lage im fremden Land zu erkunden und den Umzug vorzubereiten. Das klappte bei Friedrich Wolf, der 1938 in die USA emigrierte und ein Jahr später seine Familie nachholen konnte.
Weniger Glück hatte sein Bruder Semy. Ihm gelang es, ebenfalls 1938, ein Visum für die Arbeit als Seifensieder in Kolumbien zu bekommen. Aber der Versuch, die Familie zu sich zu holen, scheiterte, weil er die benötigten Genehmigungen nicht rechtzeitig vor Kriegsbeginn beschaffen konnte.
Seiner Tochter Doris gelang noch im August 1939 die Flucht nach Großbritannien. Von hier aus versuchte sie (vergeblich), zu ihrem Vater nach Kolumbien zu kommen. Semy hat seine Familie nicht mehr wieder gesehen; seine Frau und sein Sohn Walter wurden im KZ Izbica ermordet. Nach dem Krieg versuchte er, seine Tochter in England zu besuchen; er starb, bevor er ein Einreisevisum erhielt.
Doris besuchte Langen 1983 auf Einladung des Magistrats. Auch bei der Verlegung der Stolpersteine 2008 war sie anwesend.

Doris Wolf war dabei, als am 19.04.2008 für sie und ihre Familie die Stolpersteine verlegt wurde.

Flucht der Juden aus Deutschland

1933 waren in Langen 77 jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger registriert. 7 verstarben bis 1945. 36 kamen durch die Nazis ums Leben, 34 retteten ihr Leben durch Flucht. Warum sind nicht mehr geflüchtet?

Außer den Boykottmaßnahmen gegen jüdische Geschäfte und der Isolierung der jüdischen Bevölkerung gab es in den ersten beiden Jahren der Naziherrschaft keine systematischen gewalttätigen Übergriffe gegen sie oder ihre Einrichtungen. Das ist sicherlich ein Grund, warum sich anfangs nur wenige jüdische Menschen entschließen konnten, ihre Heimat zu verlassen und ins rettende Ausland zu gehen. Dies entsprach auch der Politik der jüdischen Organisationen. Außer den zionistischen Gruppierungen (die aus ideologischen Gründen die Auswanderung nach Palästina wollten und dafür sogar mit den Nazis zusammen arbeiteten) plädierte man für das Ausharren in Deutschland. Zwar wurden harte Zeiten erwartet, aber wenn die Juden zusammen hielten, würden sie dies, wie in der Vergangenheit, schon durchstehen. Die von Hitler bereits vor 1933 geforderte „Ausmerzung des Judentums“ wurde eher als politische Parole denn als konkrete Handlungsanweisung verstanden. Außerdem war Emigration immer mit einer großen Unsicherheit verbunden. Sowohl Alter als auch Berufsstruktur der meisten jüdischen Geschäftsleute versprachen keinen leichten Neuanfang. So glaubte man nur zu gerne den Durchhalteparolen der offiziellen jüdischen Vereinigungen. Man hegte zu diesem Zeitpunkt noch die Hoffnung, dass das Leben in Deutschland trotz Rechtsunsicherheit und ungesetzlicher Ausschreitungen erträglich bleiben würde. Auch Heimatverbundenheit und die Verwurzelung in der deutschen Sprache und Kultur machten für die meisten den Schritt in die Fremde unvorstellbar.
Juden, die Deutschland trotzdem verlassen wollten, wurden von Ihresgleichen fast wie Fahnenflüchtige angesehen. Auch deshalb ist es nicht erstaunlich, dass nur wenige Familien in den ersten Jahren der Naziherrschaft, als es noch politisch und ökonomisch realisierbar war, das Land verließen. Es waren fast nur junge Leute, die den Schritt in ein fremdes Land wagten.

Als sich – nach den Nürnberger Gesetzen 1935 – abzeichnete, dass die Lage für die Juden in Deutschland erheblich schwieriger werden könnte, setzte eine Flucht aus den kleineren Gemeinden in die umliegenden Großstädte ein. Man glaubte, in der Anonymität der Großstadt besser überleben zu können. Bis Herbst 1938 hatten über zwei Drittel der Langener Juden unsere Stadt verlassen; die meisten zogen (zunächst) nach Frankfurt. Von hier aus versuchten viele, ins rettende Ausland zu kommen. Aber die meisten Länder waren nicht oder nicht ausreichend bereit, die Flüchtenden aufzunehmen. Erst unter dem Eindruck der Judenpogrome in der sog. „Reichskristallnacht“ 1938 lockerten die USA und England ihre Einreisebestimmungen. Nach Kriegsbeginn im September 1939 war kein Land mehr bereit, Flüchtlinge aus Deutschland aufzunehmen.