Peter Sehring,
Hausmeister an der Wallschule
 Wallstraße 25

Unter den Akteuren der Novemberpogrome von 1938 trat der Schulhausmeister der Wallschule durch sein grausames Verhalten besonders hervor. Peter Sehring versäumte seit 1933 keine Gelegenheit, jüdische Mitbürger zu schikanieren und zu misshandeln. Auf offener Straße bedrohte er Juden und politische Gegner der NSDAP mit einem Ochsenziemer, den er stets bei sich trug. Auf dem Hof der Wallschule zwang er Juden, nur um sie zu schikanieren, Steine von einer Ecke in die andere zu schleppen. Wenige Tage vor den Novemberpogromen ohrfeigte Sehring den jüdischen Textil- und Schuhhändler Isaak Morgenstern vor den Augen der Öffentlichkeit und misshandelte ihn mit einem elektrisierenden Stab, wie man ihn zum Viehtreiben benutzte. Er war am 9. November der Rädelsführer bei der Zerstörung der Wohnung der Familie Morgenstern in der Fahrgasse.

Im Hause der Familie von Arthur Neu in der Wallstraße 20 machte er sich einer besonders ruchlosen Tat schuldig. Die Familie hatte seit 1933 unter den Repressionen des Hausmeisters zu leiden, indem er die Kunden des Vieh- und Lederhändlers bedrohte und einschüchterte. In der „Reichskristallnacht” zertrümmerte er zusammen mit anderen die Wohnungseinrichtung der Neu’s. Die Gewalttäter zerschlugen das Mobiliar, zerschnitten Kleidungsstücke und Textilien und warfen die Trümmer schließlich in den Hof. Danach quälte der Hausmeister die damals 78-jährige Betty Neu, die allein zu Hause war, mit einem Gartenschlauch und sperrte die völlig durchnässte alte Frau anschließend trotz der kalten Novemberwitterung in einen Stall ein.
Nach dem Einzug der Amerikaner in Langen versteckte sich Peter Sehring für mehrere Monate, wohl um seiner gerechten Strafe zu entgehen. Im Herbst 1945 tauchte er im Haus seiner Schwester in der Wallstraße 30 auf. Die Nachricht verbreitete sich schnell im Ort, und vor dem Haus versammelte sich eine Menge aufgebrachter Menschen. Die amerikanische Militärpolizei nahm Sehring fest und brachte ihn in ein Internierungslager nach Darmstadt. Als einer der Hauptbeteiligten an den Aktionen der Pogromnacht wurde er vor dem Darmstädter Landgericht zu 9 Monaten Haft verurteilt.

Später arbeitete er noch lange Jahre in einer Langener Metzgerei. Er verstarb 1976 im Alter von 87 Jahren.

Wohnhaus
der Familie Siegmund Neu
Wallstraße 11

Siegmund Neu betrieb einen florierenden Ledergroßhandel und belieferte vorwiegend Schuhmacher. Er hatte einen großen Kundenstamm weit über Langen hinaus. Seine Söhne Manfred und Max (geboren 1905) besuchten in Langen die Realschule und machten anschließend eine kaufmännische Lehre. Die Neu‘s waren wohlhabend; sie hatten ein Telefon und eine Hausangestellte.
Im September 1938 musste Siegmund Neu sein Geschäft aufgeben. Er verdiente gerade noch 1/40 des Einkommens der Vor-Nazizeit; die Kunden weigerten sich oft, Außenstände an einen Juden zu bezahlen.
Schon im Juni 1938 verkaufte Siegmund Neu sein Haus in der Wallstraße 11 und zog nach Frankfurt. Gemeinsam mit seiner 60-jährigen Ehefrau Jenny wurde Siegmund Neu am 1. September 1942 im Alter von 66 Jahren bei der achten großen Deportation in das Durchgangs- und Konzentrationslager Theresienstadt verschleppt, wo beide nach anderthalb Jahren ums Leben kamen.

Ihr Sohn Manfred emigrierte im Juni 1938 nach New York.
Sohn Max wurde im September 1935 verhaftet. Ihm wurde vorgeworfen, er habe sich des Vergehens der „Rassenschande“ schuldig gemacht, indem er ein Verhältnis zu der im elterlichen Haushalt beschäftigten nichtjüdischen Hausangestellten gehabt habe. Ohne Prozess und ohne Urteil blieb er von September 1935 bis 27. März 1936 im Konzentrationslager Dachau inhaftiert. Auch die damals 20-jährige Hausangestellte wurde verhaftet und bis Januar 1936 im Konzentrationslager Moringen gefangen gehalten.
Max Neu wurde genötigt, eine Erklärung abzugeben, dass er nicht beabsichtige, die junge Frau zu heiraten. Nach seiner Haftentlassung emigrierte er im Juli 1936 in die USA.

Wohnhaus der Familie Arthur Neu Wallstraße 20

Hier lebten Arthur und Klara Neu mit ihrer Tochter Trude und Arthurs Mutter Betty. Die Familie betrieb hier ein Vieh- und Ledergeschäft. Nach der Zerstörung der Synagoge überfielen die Nazischläger am 10. November 1938 auch dieses von Juden bewohnte Haus (wie vorstehend schon berichtet).
Betty, Arthur und Klara Neu verließen Langen drei Tage später. Arthur Neu wurde von Bürgermeister Göckel gezwungen, sein Haus mit Gartengrundstück für die Hälfte des amtlich festgesetzten Wertes an einen Privatmann aus Langen zu verkaufen.
Trude Neu konnte bereits 1937 nach Amerika auswandern. 1983 besuchte sie Langen auf Einladung der Stadt.
Arthur und Klara Neu flüchteten 1939 nach Belgien. Nach Einmarsch der Deutschen wurde Arthur Neu im Mai 1940 in das Internierungslager Gurs in Südfrankreich verschleppt, wo er sieben Monate später verstarb. Seine Frau Klara Neu lebte bis Kriegsende in der Illegalität in Belgien. Erst 1946 konnte sie zu ihrer Tochter Trude in die USA auswandern.
Betty Neu wurde 1942 in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert, wo sie am Ende des Jahres umkam.

Wohnhaus von Wilhelm Barth
Obergasse 8

In der Obergasse 8 wohnte Wilhelm Barth, seit März 1930 Mitglied in NSDAP und SA. Er war zeitweise Presse- und Propagandaleiter, Kulturwart, stellvertretender Ortsgruppenleiter und ab 1935 Ortsgruppenleiter der NSDAP. 1933 setzten ihn die Nazis als Stadtbaumeister ein; er behielt dieses Amt bis 1945.
Barth war einer der Wenigen, die nach dem Krieg (1948) vor dem Landgericht Darmstadt wegen der Zerstörung der Synagoge 1938 angeklagt wurden. Reue war bei ihm nicht zu erkennen. Im Gegenteil: Trotz der geringen Strafe von nur 1 Jahr und 3 Monaten legte er gegen dieses Urteil Widerspruch ein und verlangte seinen Freispruch. Zwar gab er zu, den Auftrag zur Inbrandsetzung erteilt zu haben, aber andere seien ihm zuvor gekommen, hätten sich an der Synagoge „betätigt“ und diese angezündet.
Sein Einspruch war erfolgreich, denn im Wiederaufnahmeverfahren 1951 lautete das Urteil jetzt: 8 Monate Gefängnis. 1954 klagte Barth gegen die Kostenfestsetzung in diesem Verfahren. Der NSDAP-Ortsgruppenleiter lebte danach noch viele Jahre unbehelligt in Langen; er starb hier 1987.